Ein Stadtrundgang
vonplink/inRückblicke
Fast alle die sich angemeldet haben, lassen sich auch von diesem Sauwetter nicht abschrecken. Beim Eintreffen der Führer von“Geschichte für alle“, Frau Vogel und Herrn Heisig, haben sich schon fast 50 Teilnehmer eingefunden. In zwei Gruppen begeben wir uns auf die Spuren von Mördern und Fälschern und dem Rechtssystem der alten Reichsstadt Nürnberg.
Auf der Flucht vor dem Regen suchen wir Schutz in der Einfahrt zum Heilig Geist Spital genau gegenüber vom Schuldturm, dem“Männereisen“, dem ersten Objekt der Betrachtung der Rechtsgeschichte der alten Reichsstadt. In diesem ehemaligen Wehrturm der zweiten Stadtmauer, mußten die Männer einsitzen, die ihre Schulden nicht bezahlen konnten. In einem Extremfall sollen das über 30 Jahre gewesen sein, so unser Führer. Auf der anderen Flußseite lag das sogenannte“Weibereisen“.
Der Pegnitz entlang führt uns der Weg zur Rückseite der ehemaligen Franziskanerkirche, die nach dem Ende der reichstädtischen Zeit im Jahr 1806, vom bayer. Staat, dem neuen Hausherrn der Stadt, auf Abbruch, an den Kaufmann Hieronymus Bestelmeier verkauft worden war. Der richtete in dem umgebauten Gebäude ein Warenmagazin ein, das weit über die Grenzen Bayerns hinaus bekannt wurde.
Am gleich daneben liegenden Grundstück am Fluß, war das Gebäude des städt. Zuchthauses, das auch als Waisen- und Arbeitshaus genutzt wurde. Auch dieses Grundstück ersteigerte Bestelmeier. Hier sollte das erste Haus der“Gesellschaft Museum“, einer Gesellschaft zur Pflege der schönen Musen entstehen. Ein Ereignis, das sich im Jahr 2010 zum zweihundertsten Male jährt. – Heute ist in der ehemaligen Kirche ein Bank untergebracht. Auf dem früheren Grundstück der Gesellschaft Museum, Königstraße 1, steht heute ein Geschäftshaus.
Eine wichtige Institution des mitelalterlichen Rechtslebens war hier wie anderswo der Henker, der in Nürnberg in Resten der ehemaligen zweiten Stadtumwallung über der Pegnitz wohnte. Der überdachte Henkersteg und das an seinem Ende neu eingerichtete kleine Musum, erinnern noch heute an dieses Relikt Nürnberger Rechtsgeschichte.
Das Henkerhaus zeigt an Hand von Bildern und Texten die Rechtspraxis um 1600. Exponate, wie etwa Folterwerkzeuge, sind hier nicht zu finden.
Franz Schmidt (1559-1623), der berühmteste Scharfrichter (offiziell:“Nachrichter“) der alten Reichstadt, galt für seine Zeit als äußerst human.
So war es ihm zu verdanken, daß Frauen bald nicht mehr ertränkt, lebendig begraben oder aufgehängt, sondern zur Hinrichtung mit dem Schwert begnadigt wurden. Und selbst hier hatten sie den Vorzug sich setzen zu dürfen (was allerdings nicht ganz selbstlos war, da es auch dem Henker die Arbeit erleichtert hat).
Franz Schmidt, war von 1578 an 40 Jahre lang fest angestellter Scharfrichter in Nürnberg. Er war der Sohn eines Bamberger Scharfrichters. Seine erste Hinrichtung in Nürnberg, sozusagen seine“Probearbeit“, lieferte er bereits im Jahr 1577 im Alter von 18 Jahren ab. Folgt man der Einleitung zur Chronik seines Wirkens von Prof. Dr. Wolfgang Leiser, Erlangen, im Neudruck der Ausgabe von Albrecht Keller (1913) aus dem Jahr 1979, so hat er seine Laufbahn bereits im Jahr 1573 im Bambergischen im Alter von 14 Jahren (!!!) begonnen. Vermutlich ist er seinem Vater zur Hand gegangen und hat dabei quasi eine Lehrzeit im Scharfrichterhandwerk durchlaufen.
Als seine erste Hinrichtung im Jahr 1573 bezeichnet er selbst das Richten eines Diebes mit dem Strang. Im selben Jahr dann die Exekution eines Mörders mit dem Schwert und dem Rad. – Ganz schön happig, als Premiere für einen Vierzehnjährigen, selbst in jener Zeit. Hier floß echtes Blut! Nicht zu vergleichen mit den Killerspielen unserer Youngster am Computer.
Anders als auf diesem Bild dargestellt, war der Nürnberger Galgen“mehrschläfrig“. Er hatte, im Quadrat gebaut, vier Querbalken. Meister Franz war besonders stolz darauf, daß es ihm einmal gelang 5 Mitglieder einer Bande, nebeneinander an einem Balken aufzuhängen. Auch der Henker hatte seine Berufsehre und seinen Stolz. Diese Form der Hinrichtung war zu dieser Zeit im Grunde ein qualvolles Erdrosseln, im Gegensatz zum (sich erst viel später durchsetzenden) Tod am langen Strang, bei dem der Delinquent durch den Sturz in die Schlinge sich in der Regel das Genick bricht. Wer am Galgen endete, blieb dort zur Abschreckung hängen bis er verrottet war. Was dann noch übrig blieb wurde in der Nähe verscharrt. Wer mit dem Schwert gerichtet wurde fand seine letzte Ruhe auf dem Petersfriedhof. Eine Unterscheidung die damit in dieser Zeit, auch noch nach der Reformation, weit über den Tod hinaus reichte. Die Begnadigung zum Tod durch das Schwert führte dadurch, neben dem“leichteren Sterben“, auch zur Rettung des Seelenheils durch die Beisetzung in geweihter Erde.
Der Richtplatz, oder besser die Richtplätze, waren in Nürnberg außerhalb der Stadt vor dem Frauentor. Der Durchbruch beim Königstorturm wurde erst im späteren 19. Jahrhundert geschaffen. Die Stadt galt ja noch bis 1866, auch im Königreich Bayern, als Festung.
Das Hochgericht mit dem Galgen, lag an einer der wichtigen Zufahrten der Stadt und sollte gleich als Mahnung und Warnung für alle dienen, die sich in den Rechtskreis der freien Reichstadt begaben. Galgen und der Platz für die Hinrichtungen mit dem Schwert, lagen getrennt von einander, denn die Hinrichtung mit dem Schwert galt nicht als entehrend.
Die Lage der Richtstätten ist hier auf dem berühmten Holzschnitt in der Schedelschen Weltchronik von 1493 und in einer Karte des Stadtzeichners Hans Bien von 1620 dargestellt. Neben diesen Plätzen gab es noch einen Richtplatz im Bereich der (heutigee) Haller Wiese. Dort wurden die Urteile vollstreckt, die auf Ertränken lauteten. Ein mit Bedacht gewähler Ort, am Ausfluß der Pegnitz aus dem Mauergürtel der Stadt. So wurde die (symbolische) Verunreinigung des Flusses innerhalb der Stadt vermieden.
Ein Blick aus dem Fenster zeigt: Unsere zweite Hälfte ist auch eingetroffen und wir müssen das Henkerhaus räumen.
Nach einer kurzen wilden Gemengelage hat der Austausch stattgefunden und wir setzen unsere Exkursion in Richtung Unschlittplatz fort.
Gut beschirmt!
Der Rundgang neigt sich dem Ende zu. Das alte Rathaus wird noch unser letztes Ziel.
Nach so viel Mördern, Fälschern und Messerstecher sind alle geschafft und froh im 21. Jahrhundert zu leben. Herzlichen Dank unseren Führern und Hochachtung vor allen, die sich durch das Wetter nicht davon haben abhalten lassen zu kommen. – Aber es soll auch Stadtführungen geben bei denen es nicht regnet! Versprochen! Bis zum nächsten Mal.
Kulturbereich
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