Eight ever, nine never?
Bridgebücher stehen voll mit Merkregeln, vor allem bekannt ist der von Richthofen, wie „mit 4333 ist Stayman unnötige Spielerei“. Bei der Behandlung von Farbkombinationen, für viele so reizvoll wie eine Zahnwurzelbehandlung, halten sich deshalb viele auch an Merkregeln. Eins der bekanntesten ist: „Eight ever, nine never“. Das ist so gemeint, dass wenn man 8 Karten gemeinsam in einer Farbe hat, sollte man auf die Dame „immer“ schneiden, und bei 9 Karten sollten man „nie“ auf die Dame schneiden.
Abgesehen davon, dass „immer“ und „nie“ in Bridge eigentlich gar keinen Platz haben, ist dieser Regel, zumindest der zweite Teil, etwas fragwürdig. Ein gutes Beispiel dafür gab es am 6.7.2022 im Clubturnier (gedreht, damit Süd Alleinspieler wird):
Drücken Sie auf „next“ um die ersten Stiche zu sehen.
Wie spielen Sie weiter?
Das Weak Two und das Ausspiel lassen keinen Zweifel daran, dass West das ♥ stechen kann. Dass er über ♦7 kann ist praktisch sicher, also müssen wir mit ♦K vorstechen. Das beschert uns aber gerade das Problem in ♦, wofür unser Merkregel „eight ever, nine never“ gedacht ist: Wir können ♦A abziehen und müssen dann entscheiden, ob wir schlagen oder auf ♦B schneiden.
Was sagt uns jetzt der Merkregel?
Auch wenn wir nach dem 3. Stich nur noch gemeinsam 8 Karos haben, ist entscheidend für den Merkregel, wie viele wir am Anfang hatten, also 9. Also demnach müssten wir schlagen. Aber genau das ist ja das Problem mit dem Merkregel. So klar, wie der Regel es meint, „nine never“, ist es gar nicht.
Dazu hilft es, den Regel mal genauer anzusehen. Zuerst der Teil „eight ever“. Wenn wir die Dame suchen bei gemeinsamen 8-Kartenfit, haben wir beispielsweise folgende Trumpffarbe, die wir ohne Verlierer lösen müssen:
Vorgehensweise mit 8 gemeinsamen Karten
Nachdem wir Karo zum König, und klein Karo nach gespielt haben, sind die relevante Haltungen entweder Dx dahinter (also xxx davor) oder Dxx davor. In beiden Fällen ist die Länge der Farbe der beiden Gegner gleich, also egal ob wir andere Informationen über die Verteilung der gegnerischen Händen haben, die Dame ist in 3 von 5 Fällen davor, in 2 von 5 Fällen dahinter. Also sollten wir schneiden. Nur wenn wir durch das Zählen der Figurenpunkten wissen, dass ein Gegner fast alle Figuren haben muss, kann schlagen besser sein.
Vorgehensweise mit 9 gemeinsamen Karten
Zurück zur Ursprungshand: Mit 9 gemeinsamen Karten sind die relevanten Fällen ♦ Bxx davor, oder ♦ Bx dahinter (also 2-2 verteilt). Andere Verteilungen sind auch gar nicht mehr möglich, denn wir haben alle Karos außer den Buben schon gesehen. Um das zu veranschaulichen, klicken Sie bis zum Ende im folgenden Diagramm:
Wenn wir sonst nichts wissen, hat West eine Karte weniger übrig als Ost, weil er schon zu diesem Stich gespielt hat. Und dieser Unterschied ist der einzige Grund, wieso ♦B bei Ost etwas wahrscheinlicher ist, als bei West. Deshalb sollte man nach dem Merkregel eben schlagen.
Genug langweilige Mathematik! Schlagen wir also und spielen das nächste Board?
Nicht so schnell! Tatsächlich haben wir noch weitere Informationen: Ost hat ein 6er ♥, West hat nur 2. Das bedeutet, dass Ost vier freie Plätze weniger hat als West. Nachdem West bereits 2x in Karo zugegeben hat und Ost erst 1x, bedeutet das, dass West noch 9 freie Plätze hat gegenüber 6 bei Ost. Somit ist es um die Hälfte wahrscheinlicher, dass West den ♦B hat. Keine überragender Vorteil, aber von 5 Versuchen wären Sie so in 3 erfolgreich, und nur in 2 nicht.
Wenn Sie mit der Wahrscheinlichkeit gespielt haben, wären Sie erfolgreich gewesen. Die richtige Spielweise und die Auflösung sehen Sie im folgenden Diagramm: