Als Informatiker sieht man es sogar als Mythos an, dass Programme fehlerfrei sein können. Einem Informatiker geht es darum, dass Programme funktionieren. Dass sie fehlerfrei sind, passiert sowieso nicht. Hauptsache, die Fehler treten in der Praxis so selten wie möglich auf. Gleiches gilt sicherlich nicht nur für Software sondern für Technik allgemein.
Beim Bridge ist die Frage oft eine andere: Es gibt in einigen Situationen einen technisch korrekten Spielplan. Im Idealfall funktioniert der zu 100%. In der Realität hat man aber oft die Situation, dass der optimale Spielplan nur mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit Erfolg hat. Und wenn man diesen Spielplan spielt und damit Erfolg hat oder auch nicht und sich anschließend die anderen Ergebnisse anschaut, stellt man öfters fest, dass andere Spieler mit einem anderen Spielplan mind. den gleichen Erfolg haben. Wenn man sich dann fragt, was da passiert ist, dann sind wir wieder bei den Fehlern.
Niemand ist perfekt und das gilt zum Glück auch für die Gegner. Denn es gibt einige Fälle, bei denen auch ein nicht so optimaler Spielplan Erfolg haben kann. Und oft können die Gegner nicht mal was dafür. Denn die Gegner sehen ja nur den Dummy und die eigenen Karten, nicht aber die Karten der Alleinspielerin. Und da sieht die Situation dann oft ganz anders aus.
Ein typisches Beispiel ist die Hand 15 vom 1.März:
1.) Reizung
Ob West eröffnet, hängt von den Partnerschaftsvereinbarungen ab. Aber an sich ist es eine gute Idee, mit 11 Punkte und einer guten 5er Farbe in die Reizung einsteigen. Später kommt man evtl. nicht mehr dazu.
Wenn West eröffnet, stellt sich die Frage, ob Ost reizen sollte oder nicht. Wenn Ost-West so was wie Inverted Minors spielen, dann hat Ost definitiv kein Gebot. 1 SA kann man mangels Pik Stopper nicht reizen und für 3 Treff hat man zu wenige Treffs. Wenn man aber kein Inverted Minors spielt, dann zeigt die Hebung i.d.R. 6-9Punkte mit Fit. Allerdings hat West mit der Eröffnung nur 3 Treff Karten versprochen, bei einigen Paaren sogar nur 2.
Meine Empfehlung ist: Wenn man 1 Karo eröffnet, dann sollte der Partner davon ausgehen, dass man 4 oder mehr Karos hat. Die Wahrscheinlichkeit, bei einer 1 Karo Eröffnung nur 3 Karos zu haben, ist sehr gering. Nur bei einer 4432 ist das der Fall. Bei einer 1 Treff Eröffnung ist die Wahrscheinlichkeit eines 3er Treffs wesentlich höher. Deshalb ist das 2 Treff Gebot von Ost nicht zwingend, in der Gefahrenlage aber vertretbar. Wenn Ost 2 Treff reizt, dann sollte West später noch 3 Treff bieten, sofern das nicht einladend ist.
Je nachdem, ob und wie Ost-West agieren, sollte der Kontrakt 2 oder 3 Pik sein. Da 8 Stiche kein Problem sind, gehen wir hier mal davon aus, dass der Endkontrakt 3 Pik ist.
2.) Abspiel
Nach 2 Runden Treff werden Ost-West vermutlich auf Coeur oder Pik wechseln. Sofern die Piks 3-2 stehen, drohen der Alleinspielerin neben den 2 Treff Verlierern noch 3 Karo Verlierer. Die Kombination mit dem dritten/vierten Buben gegenüber dritter/vierter Dame taucht relativ oft in der Lehrbuchhänden auf. Oft geht es dann um Endspiele. Denn mit einer solchen Kombination verliert man nur 2 Stiche, wenn der Gegner die Farbe spielt. Wenn man sie selber spielt, wird man allerdings meist 3 Stiche verlieren. Würde man hier z.B. zur Dame spielen, verliert man den Stich an das Ass. Und wenn man dann später zum Buben spielt, verliert man an den König. Eine Ausnahme ist, wenn Ass und König auf einer Hand sitzen, was immerhin in fast 50% der Fälle passiert. Dies kann man aber ausschließen. Warum?
Nun: Man kann sich natürlich die Verteilung oben anschauen und sieht, dass Ass und König nicht auf einer Hand sitzen. Aber auch am Tisch mit verdeckten Karten kann sich die Alleinspielerin sicher sein, dass Ass und König verteilt sind. Und zwar gibt es dazu zwei Gründe:
- Wenn die Gegner gereizt haben sollten, dann wird man nach dem Ausspiel und den beiden Treffstichen wissen, dass Ost in Treff 3 Punkte (Dame und Bube) und West 7 Punkte (Ass und König) hat. Damit West eine Eröffnung hat, muss West eine Karofigur haben. Damit Ost eine 2 Treff Reizung hat, muss auch Ost eine Karofigur besitzen.
- Aber auch wenn Ost-West nicht so gereizt haben, wie hier vorgeschlagen, weiß man, dass die Karo Figuren verteilt sind. Denn wenn einer der beiden in Karo das Ass und den König hätte, dann hätte der Gegner ziemlich sicher spätestens nach Abzug der Treffs Karo gespielt.
Das Problem ist, dass man in dieser Hand die Karos selber spielen muss. Man kann nicht mehr an die Gegner aussteigen, damit diese Karo spielen. Das bedeutet also, dass man in Karo ziemlich sicher 3 Verlierer hat. Kann man dagegen was tun?
3.) Auf Fehler des Gegners hoffen
Wenn man die Trümpfe zieht und dann Karo zur Dame spielt, könnte Ost die Nerven verlieren und den König einsetzen. Daraufhin verliert man doch nur 2 Karostiche. Da an erstaunlich vielen Tischen 9 Stiche gemacht wurden, ist dies vermutlich häufiger der Fall gewesen. Aber kann das richtig sein?
Wenn die Verteilung so aussehen würde, dann muss Ost den König legen, um ihn zu bekommen.
Allerdings gibt es zwei Indizien, dass die Verteilung nicht so aussieht. Zum einen hätte West mit dieser Verteilung nach den Treffs auf Karo wechseln können. Und zum anderen hätte Nord auf die Idee kommen können, statt 3 Pik auch 3 Coeur zu bieten, Insofern ist es für Ost wirklich nicht einfach, was er/sie machen soll, wenn Nord Karo spielt. Diese Spielweise hat also durchaus Chancen. Wichtig dafür ist auf jeden Fall, Karo von Nord zu spielen. Wenn man Karo von Süd spielt, dann ist die Wahrscheinlichkeit deutlich geringer, dass der Gegner einen Fehler macht.
4.) Technische Spielweise
Es gibt aber auch einen Spielplan, mit dem man erfüllen kann, wenn der Gegner keinen Fehler macht. Und zwar hat man ja 4 hohe Coeurs. Man könnte in der ursprünglichen Verteilung ein Karo auf die Coeurs wegwerfen. Allerdings blockieren die Coeurs ganz furchtbar. Und man kommt nach dem Ziehen der Trümpfe nicht mehr in die Südhand. Man könnte aber darauf hoffen, dass die Coeurs 3-3 stehen und wie folgt spielen:
Klicken Sie auf Next, um sich den Spielplan anzuschauen:
Dieser Spielplan erfordert, dass die Piks 3-2 stehen und die Coeurs 3-3. Dass die Piks 3-2 stehen, erfordert auch der ursprüngliche Spielplan, der auf einen Fehler der Gegner hofft. Aber Coeur 3-3 hat nur eine Wahrscheinlichkeit von rund 36%. Denn wenn die Coeurs nicht 3-3 stehen, dann wird der Gegner stechen und dann gibt man anschließend immer noch mind. 3 Karo Stiche ab, fällt also mind. einmal, evtl. sogar zweimal. Insofern ist der ursprüngliche Spielplan, der auf einen Fehler setzt, vermutlich besser. Deshalb stellt sich die Frage, ob man den technischen Spielplan noch verbessern kann. Ein Problem ist ja, dass der Gegner stechen kann, wenn man die Coeurs abzieht. Diese Wahrscheinlichkeit reduziert man signifikant, wenn man vor dem Spielen der Coeurs 2 Runden Pik spielt. Dann kann nur noch die Person stechen, die den letzten ausstehenden Trumpf hat.
Man spielt also wie folgt:
Wichtig ist, dass man in den beiden Pik-Runden auf jeden Fall das Pik Ass aufbewahrt. Dieses wird ja als Übergang zu den Coeurs benötigt.
5.) Gibt es Risiken?
Es ist beim Abspielen der Coeurs immer noch ein gegnerischer Trumpf vorhanden. Ein Gegner könnte damit stechen. Allerdings müsste der Gegner dann entweder Treff in die Doppel Chicane spielen. Wenn dies auf die dritte Coeurrunde passiert, würde man jetzt sogar erfüllen, weil man eines von Nords Karos auf Coeur wegschmeißen kann und eines beim Stechen des Treffs.
Und wenn der Gegner Karo spielt, dann fällt man einmal. Allerdings würde man das sowieso machen, wenn man selber Karo spielt und der Gegner keinen Fehler macht. Insofern ist man mit dem Spielplan nicht schlechter gestellt, als wenn man den ursprünglichen Spielplan wählt und der Gegner keinen Fehler macht.
6.) Auf Fehler hoffen oder technischer Spielplan – Was ist besser?
Das ist natürlich ein psychologisches Problem. Wie hoch ist die Wahrscheinlichkeit, dass der Gegner einen Fehler macht? Vielleicht sollte man vorher abschätzen, wie gut der technische Spielplan ist. Voraussetzung für beide Spielpläne ist ja, dass die Piks 3-2 stehen. Das kann man aus der Betrachtung rauslassen, weil es beide Spielpläne in gleicher Weise betrifft. Der technische Spielplan funktioniert, wenn die Coeurs 3-3 stehen. Wie geschrieben, passiert das in etwas mehr als in einem von drei Fällen. Wenn die Coeurs nicht 3-3 stehen, dann hat entweder der Gegner mit den wenigen Coeurs den letzten Trumpf (ungünstig) oder der Gegner mit den vielen Coeurs den Trumpf (günstig). Der ungünstiger Fall ist etwas wahrscheinlicher, da die Person mit weniger Coeurs wahrscheinlich mehr Piks hat. Aber wenn wir das ganze vereinfachen, dann werden wir in den Fällen, in denen die Coeurs nicht 3-3 stehen, in 50% der Fälle dennoch erfüllen. Das heißt, in 50% der 2 von 3 Fällen erfüllen wir dennoch.
Das bedeutet, in einem von 3 Fällen werden wir mit dem technischen Spielplan erfüllen, weil die Coeurs 3-3 stehen und in einem von 3 Fällen erfüllen wir, weil die Coeurs zwar ungünstig stehen, der Gegner aber keinen Trumpf hat. Insofern erfüllen wir in 2 von 3 Fällen mit dem technischen Spielplan.
Ob Sie Ihren Gegnern zutrauen, in mehr als 2 von 3 Fällen einen Fehler zu machen, dass müssen Sie entscheiden. Wenn Sie also auf den technischen Spielplan setzen, dann sprechen Sie Ihrem Gegner damit das Kompliment aus, dass Sie ihm zutrauen, in dieser Situation weniger als in 2 von 3 fällen einen Fehler zu machen.
5.) Was passiert, wenn Süd kein Strafkontra haben sollte?
Nord hat kontriert, weil Nord vermutet, dass Süd ein Strafkontra haben KÖNNTE. Sollte Süd dieses nicht haben, darf Süd natürlich nicht passen. Nord-Süd sollten dann versuchen, einen spielbaren Kontrakt zu finden. Auch hierbei hilft, dass Nord für sein Kontra kurz in Gegners Farbe sein sollte. In den meisten Fällen sollte es Nord Süd dadurch gelingen, einen Alternativen Kontrakt zu finden. Wenn Süd z.B. ein 2er Pik hat, kann Süd 2♠ bieten. Mit einer 5er Unterfarbe kann Süd diese Farbe auf 3er Stufe reizen. Ein besonderes Feature ist es, wenn Süd 2 SA reizt. Dies kann nicht natürlich sein, da Süd mit Stopper in Gegners Farbe und ein paar Punkte schon vorher 2 SA geboten oder jetzt 2♥ x gepasst hätte. Es ist sinnvoll, dass 2 SA Gebot so zu spielen, dass der Partner sich eine Unterfarbe aussuchen soll.
Durch das 2 SA Gebot von Süd finden Nord-Süd noch den Karofit. Ansonsten hätte Süd raten müssen, ob er lieber ♦ oder ♣ bietet.
6.) Ein Wort (oder auch mehrere Wörter) zu Osts Reizung
Eine Zwischenreizung auf 2er Stufe ist immer ein Risiko, gerade wenn die Gegner wissen, dass man mit einem Strafkontra passen muss und dessen Partner mit Kürze aufkontrieren soll. Aus dem Grund sollte eine Zwischenreizung auf 2er (oder höherer Stufe) nur mit einer guten Farbe gemacht werden. Die Ostfarbe ist für eine Zwischenreizung eindeutig zu schlecht. Dafür hat Ost natürlich Zusatzstärke. Wenn Ost passt, ist es schwierig, die Punktstärke im späteren Verlauf der Reizung noch zu zeigen, wenn es überhaupt zu einem späteren Verlauf der Reizung kommt. In Anbetracht der schlechten Coeurs, der Zusatzstärke und der Piks hinter Nords Reizung ist 1 SA sicherlich eine gute Alternative.
7.) Was wurde an allen Tischen gespielt?
Von 8 Tischen wurde 5x 2♥ gespielt. In zwei der fünf Fälle wartete Süd allerdings vergeblich auf ein Kontra seines Partners. Diese Kontrakte fielen meist dreimal, einmal sogar viermal. Insofern hat sich das Kontra gelohnt.
An den anderen 3 Tischen hat Süd nicht gepasst sondern je einmal 2SA, 3SA und 3♣ gereizt. Alle daraus resultierenden Kontrakte fielen. Das zeigt deutlich: Wenn man so viele Stiche in Gegners Farbe hat, dann ist es doch einfacher, mehr als 5 Stiche in Gegners Kontrakt zu machen, als dass man selber 8, 9 oder noch mehr Stiche in einem eigenen Kontrakt schaffen muss.