Spiderman war gestern
Als einer der erfolgreichsten Filme aller Zeiten gilt „Avengers: Endgame“, was sich cooler anhören soll als die deutsche Übersetzung „Rächer: Endspiel“. Da auch bei den aktuell stattfindenden olympischen Spielen öfter von Endspielen die Sprache ist, erscheint es sinnvoll, dass sich die heutige Hand des Monats mit der gleichnamigen Spieltechnik befasst. Ob „Superbridger: Endgame“ ähnliches Erfolgspotential hat wie der Marvel Film, sei dahingestellt. Vielleicht fehlen den Protagonisten auch die durchtrainierten Körper und Superkräfte. Cool ist ein Endspiel beim Bridge aber allemal.
Oft gelten Endspiele als sehr kompliziert und das können sie auch durchaus sein. Die klassische Form ist aber so, dass sie auch ein durchschnittlicher Spieler hinbekommen kann, evtl. auch sollte. Und genau so eine klassische Form des Endspieles kam vor beim Endspiel (wie passend!) des Länderpokals im Juli.
Klicken Sie mehrmals auf Next, um das Ausspiel und die ersten Stiche zu sehen.
Mit 24 gemeinsamen Figurenpunkten und einem 9 Kartenfit waren die meisten Paare in 4 ♠.
Nachdem die Trümpfe 2-2 stehen, haben Sie (sofern die Coeurs nicht 3-3 stehen) einen Verlierer in Karo. Um den Kontrakt zu erfüllen, dürfen Sie demnach nur 2 Stiche in Treff abgeben. Losgelöst vom Kontrakt und den Restfarben gibt es dazu 3 Spielweisen:
- Sie spielen zum Buben und danach zur Dame (bzw. auch umgekehrt) und hoffen, dass ein Gegner sowohl das Ass und den König hat. In dem Fall machen Sie entweder mit dem Buben oder mit der Dame einen Stich. In der Theorie hat diese Spielweise eine Chance von 50%. Es gibt 4 Möglichkeiten, den König und das Ass auf Nord und Süd aufzuteilen. In 2 dieser 4 Möglichkeiten hat Nord bzw. Süd beide Figuren. Leider gibt es in der Praxis aber nur 3 Möglichkeiten. Denn mit Ass und König hätte Süd doch wohl diese Farbe ausgespielt. Insofern hat diese Spielweise nur eine Chance von rund 33%.
- Sie spielen zum Buben oder zur Dame. Und wenn dies verliert, ducken Sie eine Treffrunde und hoffen, dass die letzte Trefffigur Single sitzt. Diese Spielweise ist deutlich schlechter, weil Sie sich vorab entscheiden müssen, wer denn die das Double hat.
- Sie kombinieren beide Spielweisen. Da Sie wissen, dass Süd nicht beide Figuren hat, spielen Sie erst zur Dame bei Ost. Wenn diese an eine Figur von Süd verliert, wissen Sie, dass die anderen Figur bei Nord sein muss, so dass es keinen Sinn macht, zum Buben von West zu spielen. Insofern ducken Sie ein Treff und hoffen, dass jetzt die Figur bei Nord fällt.
Die letzte Variante ist sicherlich die beste. Nichts desto trotz ist eine Chance von unter 50% in einem Kontrakt, den Sie sicher erfüllen können, keine gute Spieltechnik. Denn oft können Sie eine Farbe viel besser behandeln, wenn Sie die gesamte Verteilung betrachten. Und dafür ist die Verteilung in Treff ein klassisches Beispiel. Sie machen mit dieser Kombination IMMER einen Stich, wenn Sie den Gegner dazu bringen, Treff zu spielen. Und das ist im aktuellen Fall sogar leichter getan als gesagt.
Zunächst einmal testen Sie, ob die Coeurs 3-3 stehen. Wenn dies der Fall sein sollte, werfen Sie ein Karo auf das hohe Coeur weg und versuchen, mit einer der oben beschrieben Varianten in Treff einen Überstich zu machen. Sollten die Coeurs nicht 3-3 stehen wie im aktuellen Fall, stechen Sie das verbliebene Coeur und spielen 2 Runden Karo. Jetzt sind die Gegner dran und müssen Ihnen entweder einen Treffstich entwickeln oder in die Doppelchicane spielen. Ein gerade zu klassisches Endspiel und viel cooler als jeder Avenger.
Sie können sich das Abspiel anschauen, indem Sie auf Next klicken. Sie können das Board auch nachspielen, indem Sie auf Play klicken und die Karten wählen, die Sie spielen wollen.
Wie wurde das Board im Länderpokal gelöst?
Über 75% der Alleinspieler haben 10 Stiche in dem Board gemacht. Ein Alleinspieler hatte keine Chance, weil Süd nach ♣König Angriff einen Schnapper bekommen hat. Sicherlich ein ungewöhnliches Ausspiel. Allerdings hat Süd eine Hand, bei der jedes Ausspiel unangenehm ist. Insofern sieht es so aus, als wenn die meisten Alleinspieler erfolgreich dieses Paradebeispiel eines Endspiels behandelt haben. Wenn man sich die jeweiligen Abspiele aber genauer anschaut, dann stellt man fest, dass in rund 50% der Fälle der Alleinspieler selber Treff attackiert hat. In den Fällen, in den der Alleinspieler Treff von Ost gespielt hat, ist Süd fast immer mit dem König eingestiegen und hat den Kontrakt geschenkt. Mit Süds Haltung ist es auch nicht so einfach, klein zu bleiben. In den Fällen, in denen Treff von West zur Dame gespielt wurde, gab es dagegen zu recht nur 9 Stiche.
Diese Hand zeigt uns folgendes:
- So kompliziert ist ein Endspiel gar nicht – zu mindestens wenn es in einer solch klassischen Form auftritt.
- Aber auch bei einer solchen Lehrbuchhand ist es nicht selbst verständlich, dass alle Spieler dieses Endspiel finden. Insofern können Sie zu recht stolz auf sich sein, wenn Sie einen Gegner end spielen.
- Wenn Sie einen Kontrakt zu 100% sicher haben, aber einen Spielplan wählen, der deutlich unter 50% Erfolgschance hat, dann ist das erstmal suboptimal. Sie können aber immer noch hoffen, dass Sie Glück haben und die schlechtere Chance auch sitzt oder dass ein Gegner die Nerven verliert und Ihnen den Kontrakt schenkt. Auf lange Sicht (und meist auch auf kurze Sicht) zahlt es sich aber aus, auf die beste Chance zu setzen.