William Moulton Marston (1893-1947) hat sich Anfang des 20. Jahrhunderts einen Namen gemacht als Psychologe und feministischer Theoretiker. Zusammen mit seiner Frau war er zusätzlich – und das ist für mich als Nerd ja sehr relevant – der Entwickler der Figur „Wonder Woman“, die in zahlreichen Comics und Filmen zu bestaunen ist. Daneben schuf er einen Persönlichkeitstest DISG mit den vier Grundverhaltenstendenzen Dominanz, Initiative, Stetigkeit und Gewissenhaftigkeit. John G. Geier (1934-2009) hat daraus später das 4-Farben-Modell entwickelt, in dem die Verhaltenstendenzen den vier Farben rot, blau, grün und gelb zugeordnet werden.

Die obigen Grundverhaltenstendenzen sind bei Bridgespielern natürlich in unterschiedlichen Ausprägungen genauso vorhanden wie vier Farben, auch wenn diese bei uns etwas anders heißen. Dabei hat die jeweils vierte Farbe und insbesondere das Forcierende dieser Farbe eine wesentliche Rolle, so auch in der Hand 18 vom 1.Oktober.

In dieser Situation ist man mit der Nordhand dran und muss ein passendes Gebot finden:

  • 2♠ zeigt bei den meisten Minimum. Da Partner schon mind. 5 Karten in und 4 Karten in ♣  gezeigt hat, verbleiben nur noch wenige Karten, die Partner in haben kann. Insofern sollte das 2Gebot mind. eine 6er Länge zeigen.
  • 3♠ zeigt bei den meisten die gleiche Verteilung aber mit einladender Stärke.
  • 4♠ ist so ähnlich, sollte aber noch längere Piks zeigen mit dem Wunsch, Vollspiel zu spielen.

Wenn man sich die Auswahl anschaut, dann deutet es doch darauf hin, dass man 4bieten sollte. Ist das korrekt?

Die Frage ist natürlich eine Fangfrage. Natürlich ist 4 oft der richtige Kontrakt. Allerdings bietet die Nordhand einiges an Potential, um einen Schlemm zu erfüllen. Hat Süd z.B. folgende Hand:

dann hat der Schlemm nahezu 100% Chancen. Und mit einer solchen Minimumhand wird Süd sicherlich nicht weiterreizen, wenn Nord einfach 4♠ bietet. Insofern sollte Nord nur dann 4♠ reizen, wenn Nord eine Hand mit deutlich weniger Schlemmpotential hat, also vielleicht die gleiche Hand mit einem König weniger.

4.Farbe Forcing

Wenn also alle diese Möglichkeiten nicht in Frage kommen, was soll Nord dann bieten?
Und hier kommt jetzt das Allheilmittel 4. Farbe Forcing (kurz 4FF) ins Spiel. Die meisten bieten 4FF dann, wenn Sie Partner nach einem Stopper in dieser Farbe fragen wollen. Das würde Nord z.B. mit folgender Hand machen:

Punkte für das Vollspiel sind vorhanden. Um aber 3SA zu erfüllen, fehlt der Karo Stopper.
Die Möglichkeiten von 4FF sind damit aber absolut nicht erschöpft. Nord sollte u.a. immer dann 4FF reizen, wenn alle der folgenden Bedingungen erfüllt sind:

  • die eigene Seite hat 3 Farben gereizt
  • es sind genug Punkte für das Vollspiel vorhanden
  • man weiß noch nicht, welche Farbe, bzw. SA (neudeutsch Denomination) man spielen möchte und
  • andere forcierende Gebote, die auch noch sinnvoll sind, stehen nicht zur Verfügung stehen.

Der aktuelle Fall kommt noch dazu: Nord weiß zwar, dass Pik die zu spielende Farbe ist, weil Nord seine eigenen 13 Karten von vorne sieht und hoffentlich bis 8 zählen kann. Allerdings sieht Süd die Karten nur von der Rückseite und kann ja nicht ahnen, dass Nord ein 8er ♠  mit Schlemminteresse hat.

Das bedeutet aber auch, dass Nord ebenfalls 2 Karo reizen würde mit folgenden Händen:

Hier möchte Nord herausbekommen, ob Süd ein 3er ♠ dazu hat.


Hier möchte Nord herausbekommen, ob Süd ein 2er ♠ dazu hat.


Hier möchte Nord herausbekommen, ob Süd ein 3er ♠ oder ein 6er hat. Daneben gibt es noch den eingangs erwähnten Fall, dass Nord nur nach einem Karostopper fragen möchte.

Antworten auf 4.FF

Wenn die Situationen, in denen man die 4.FF reizt, so vielfältig sind, dann muss es der Partner auch bei seinen Antworten berücksichtigen.

Wenn ein 3er Anschluss in Partners Farbe vorhanden ist, dann bietet man diesen. Es kann noch zusätzlich ein Karostopper vorhanden sein. Das ist im aktuellen Fall aber eher selten, da nur noch wenige Karokarten übrig bleiben.

Wenn kein 3er Anschluss vorhanden ist, dafür aber ein Karostopper, dann zeigt man diesen über ein SA Gebot. Nord kann anschließend nochmal 3 ♠ bieten, um ein 6er ♠ zu zeigen, so dass man den 6-2 Fit immer noch findet.


Süd kann seine zweite Farbe wiederholen, um diese zu verlängern. Hier kann Nord wiederrum 3Pik bieten, um ein 6er Pik zu zeigen. Nord könnte auch 3 bieten, um ein 2er zu zeigen oder 3 Karo, um nach einen Halbstopper in Karo zu fragen.

Sollte Süd weder 3er Pik haben, noch einen Stopper in Karo, noch einen 5er Treff, so bietet Süd 2. Das verlängert nicht die Coeurs, sondern ist nur ein Notgebot, wobei es natürlich durchaus möglich ist, dass Süd ein 6er haben kann. Dies kann Süd aber erst in der weiteren Reizung zeigen.

Kommen wir zum aktuellen Fall zurück.

Süd hat offensichtlich kein 3er♠, kein 5er ♣ und keinen Stopper, da in diesen Fällen Süd immer ein anderes Gebot gewählt hätte als das Notgebot von . Jetzt kann Nord seine Piks verlängern und muss keine Angst haben, dass Süd dieses Gebot weggepasst, da Nord mit seinem 2 Gebot vorher schon mitgeteilt hat, dass Vollspiel gespielt wird.
Wenn Süd ein 2er♠ hat, kann Süd jetzt den Fit bestätigen. Dazu hat Süd 2 Möglichkeiten:

  • 3♠ oder 4♠

Was ist der Unterschied?

Principle of Fast Arrival

Das Principle of Fast Arrival bedeutet, dass nach einem Partieforcing ein langsameres Reizen (hier 3♠) stärker ist als ein schnelles Reizen (hier 4♠). Warum ist das sinnvoll?

Wenn man Interesse hat, einen Schlemm zu reizen, dann benötigt man jeden zusätzlichen Bietraum, um dieses vernünftig auszuloten. Dieser ist nicht notwendig, wenn man sowieso „nur“ Vollspiel spielen möchte. Da Nord mit dem 2 Gebot schon ein Partieforcing abgegeben hat, ist also ein 3♠ Gebot von Süd stärker als ein 4♠ Gebot. Hierbei sollte Süd Asse und evtl. Königer höher priorisisieren als Damen und Buben, da im Schlemmbereich Asse und Könige noch wichtiger sind, wenn der Partner eine lange Farbe hat. Insofern ist es kein Wunder, dass

zu einem Schlemm reicht, aber bei der aktuellen Hand sogar 4♠ in Gefahr sind, obwohl beide Süd-Hände jeweils 13 Figurenpunkte enthalten.

Sollte also Süd mit einem 3♠ Gebot Zusatzstärke mit 2er♠ zeigen, kann Nord mit Kontrollen in allen Farben jetzt die Assfrage stellen und bei

  • 2 Keycards mit 5Pik abschließen
  • 3 Keycards 6 Pik bieten
  • 4 Keycards 7 SA bieten

Bei nur einer Keycard, wäre man in 5Pik zu hoch, da der Verlust von 3 Stichen droht. Aber mit nur einer Keycard hätte Süd hoffentlich 4Pik anstelle von 3 Pik geboten. Insofern sollte im aktuellen Fall die Reizung wie folgt ablaufen: