Hand des Monats 12-2022: Irgendwie sind wir in 6SA gelandet…

Ein Schlemm zu reizen ist oft toll, besonders natürlich wenn man den auch noch erfüllt. 6SA als Kontrakt ist oft das Endresultat einer unbefriedigenden Reizung. Beide Partner sind stark, man hat keinen richtigen Fit, dann ist man schon so hoch und irgendwie landet man dann in 6SA… Dass das nicht nur dem Autor aufgefallen ist, sieht man daran, dass es dazu sogar ein Buch gibt:

Das Buch wurde geschrieben vom bekannten Bridge-Autor David Bird (Online-Name „brolucius“), auch bekannt von den Bridgegeschichten der Menagerie oder aus dem Kloster. Eigentlich kann man jedes seiner Bücher empfehlen.

Beim Iserlohner RealBridge-Turnier vom 30.12.2022 war der Autor bzw. sein Partner auch irgendwie in 6SA gelandet (Drücken Sie auf „Next“ um Ausspiel und Dummy zu sehen):

Eine Erklärung zur Reizung: Wir spielen polnisch Treff, das bedeutet, dass 1♣ entweder vorbereitend, natürlich, oder, wie in diesem Fall, stark (18+) ist. 1♥ und 1♠ waren natürlich, und 2♣ war Checkback und fragte in erster Linie nach Anschluss in Coeur.

Mit 3♦ zeigte der Eröffner nun die 18+ Hand mit 5+♦ und 4er ♠. 3♥ war nochmal natürlich und 3SA verneinte den Fit. Da 18 + 12 schon 30 sind hebt Nord auf 4SA um nach Extras zu fragen, diese hat Süd gefunden (immerhin 20 F, nicht 18) und so landeten wir irgendwie in 6SA.

Bei jedem anderen Ausspiel hätten wir sofort erfüllt, aber ganz ehrlich, nach dieser Reizung war ♥ nicht mehr so schwer zu finden. Trotzdem ist 6SA ein guter Kontrakt (6♥ is noch besser).

Wie gehen Sie vor?

Erstmal: Stiche zählen! Gehen wir mal davon aus, dass die ♥ durchziehen, sonst wird das nichts, also haben wir 6♥, 2♠ 2♣ und 1♦ macht 11.

Angenommen, wir nehmen ♥D, gehen mit ♠K zum Tisch und ziehen die ♥ ab, können wir uns entscheiden, ob wir den Schnitt in ♠ ♦ oder ♣ spielen. Wenn der Schnitt sitzt, sind wir zu Hause. Obwohl wir noch einen Stich abgeben durften, haben wir nur den einen Übergang zum Tisch, somit können wir nur einen Schnitt spielen.

Jeder Schnitt ist 50-50, und sie sitzen bestimmt nicht alle, wenn ich dann den falschen genommen habe, werde ich mich aber ärgern!

Stimmt! Deshalb sollten wir schauen, wie wir die Chancen verbessern können. Diese Hand hat einen erstaunlichen Tiefgang, wie recht viele 6SA-Hände, deshalb wird der Spielplan in vier Stufen eingeteilt.

Stufe 1: Erfüllen mit Evi

Mit Evi ist keine Spielerin gemeint, sondern der EVI-Regel: Expass – Verteilung – Impass. Da es keine Expässe in der Hand geht, und wir den Impass ja vermeiden wollen, geht es um Verteilung.

Wie nutzen wir die Verteilung am Besten aus?

Wir könnten in den Farben, wo wir schon zwei Stiche haben, diese abziehen, wenn die Dame dort Double fällt, sind wir daheim. Falls nicht, würden wir uns auf dem Karoschnitt verlassen. Mit dieser Spielweise hätten Sie am Tisch bereits erfüllt, denn ♦K stand Double im Schnitt:

Das wäre aber noch keine Hand des Monats, wenn das alles wäre. Ist es aber bei weitem nicht. Also weiter geht’s mit…

Stufe 2: Die Gegner mithelfen lassen

Das Abziehen von zwei Stichen in den schwarzen Farben war eine kleine Verbesserung, eine 5 – 2 Verteilung mit Double Figur ist aber nicht so wahrscheinlich (jeweils 9%). In Karo fehlen weniger Karten, vielleicht können wir daran arbeiten.

Wie machen wir das am Besten?

In dem wir in Stich 2 ♦10 vorlegen. Sollte West z.B. ♦Kx haben, wird er es wohl kaum schaffen, zu ducken! Gewinnt West ♦B, so muss er zwingend ♥ nachspielen, um den Kontrakt nicht zu schenken. Wird er vermutlich, aber man sollte die Gegner immer Chancen geben, zu helfen.

Schließlich wenn Ost ♦B gewinnt und ♦ zurückspielt, nehmen wir das Ass und können immer noch in einer schwarzen Farbe 2 Stiche abziehen und in den anderen schneiden. Und wir wissen, dass kein Gegner den ♦K Double hat (16% Wahrscheinlichkeit), was schon mal besser ist als Double Dame in einer schwarzen Farbe.

Die Spielweise im Überblick:

Da ist Ost aber ziemlich im Abwurfzwang!

Tatsächlich war Ost im Abwurfzwang (Squeeze): Er konnte nicht gleichzeitig ♣D und ♠Dx behalten in den letzten 2 Karten. Aber weil wir nicht wussten, wer ♣D hat, konnten wir den Squeeze nicht ausnutzen. Anders sieht es aus, wenn wir was über die Verteilung wissen…

Stufe 3: Den 12. Stich herausquetschen

Angenommen wir spielen wieder als vorher, also wir nehmen ♥D, spielen ♦10 und West gewinnt mit dem Buben. Wenn er aber jetzt Karo nachspielt und wir ♦A gewinnen, wirft Ost ein Treff ab… (drücke „Next“ um diese Spielweise zu sehen):

Das ist bis jetzt ziemlich schlecht gelaufen: Nicht nur hätte der Schnitt in Karo gesessen, aufgrund der Karolänge in Ost ist West vermutlich lang in den schwarzen Farben und hat eher ♠D und/oder ♣D. Was tun?

Vielleicht ein Squeeze?

Die Spielweise in Stufe 2 sah so richtig wie ein Squeeze aus: Zuerst haben wir die überzähligen Verlierer abgegeben, dann die Gewinner gegenüber der Drohkarte entblockiert (Wiener Coup) und schließlich alle Gewinner abgespielt. Schon kam Ost in die Quetsche.

Das tolle ist: In dieser Hand haben wir nicht zwei, sondern sogar drei Drohkarten: ♣B, ♦D und ♠B. Die gute Nachricht dabei: Ein Gegner hat von drei Drohkarten mindestens zwei.

Mit drei Drohkarten kann man einen Doppelsqueeze spielen. In einem Doppelsqueeze werden die vier Farben klassifiziert danach, welcher Gegner welche Farbe stoppt. Weil die drei Drohkarten bei uns 2 – 1 verteilt sein müssen, wird ausgegangen von der Hand mit der einzelnen Drohung. In diesem Fall hat Nord nur ♣B.

F: die Freie Farbe: Diese Farbe wird nicht von den Gegnern gestoppt.
L: diese Farbe wird nur vom Linken Gegner gestoppt.
R: diese Farbe wird nur vom Rechten Gegner gestoppt.
B: diese Farbe wird von Beiden Gegnern gestoppt.

Damit der Squeeze funktioniert, muss ♣, die Farbe an der Seite der einzelnen Drohung, die R-Farbe sein. Das bedeutet das, wir müssen annehmen dass West (Rechts von der einzelnen Drohung, also rechts vom Dummy) ♣D hat (war ja sowieso wahrscheinlich und überhaupt der Grund, dass wir nicht schneiden wollten). F = ♥, denn diese Farbe ziehen wir ab. L = ♦, denn West hat keine mehr. Somit bleibt B = ♠.

In diesem Fall wird nur ein Gegner ♠ stoppen, aber hier ist B so zu interpretieren, dass es uns egal ist, wer die Farbe stoppt. Aber „beide“ ist in Prinzip schon so gemeint, dass auch beide ♠ stoppen könnten. Das heißt erstaunlicherweise, dass die Spielweise auch dann funktioniert, wenn wir ♠B durch ein kleines ♠ ersetzen! Probieren Sie es einfach aus!

Für unsere 6SA heißt es: Wenn wir den Spielplan von Stufe 2 anwenden, werden wir 6SA gewinnen, wenn West ♣D hat! Die Endposition vor dem letzten ♥ ist dann wie folgt:

Wenn Nord jetzt das letzte ♥ spielt ist Ost zuerst in der Quetsche: Sollte Ost ♠D haben, müsste er den jetzt Single stellen, weil er ♦K auf jedem Fall behalten muss. Danach wirft Süd ♦D ab, der wird nicht mehr benötigt. Und schon ist auch West in Problemen: Er muss ♣D auf jedem Fall behalten und wirft auch ein ♠ weg. Und schon wird ♠B hoch.

Die ganze Spielweise sieht dann wie folgt aus:

Die entscheidende Unterschied zwischen Stufe 2 und Stufe 3 ist:

In Stufe 3 kennen wir Osts letzte Karte wissen: ♦K.
In Stufe 2 wurde Ost aufgrund des Squeezes gezwungen, ♠D blank zu stellen, so dass wir nicht mehr raten mussten.

Was aber, wenn Ost es schafft, noch ein kleines Pik zu produzieren?

Stufe 4: Impass oder Squeeze

Wenn Ost in Stufe 2 im vorletzten Stich ein kleines Pik zugibt, wissen wir seine letzte Karte nicht, sogesehen müssen wir raten? Schon fühlen Sie sich wie Faust:

„Schnitt und Squeeze habe ich studiert, mit heißem Bemühn. Da steh‘ ich nun, ich armer Tor, und bin so klug als wie zuvor!“

Aber ist das wirklich so? Vielleicht ist eine Spielweise deutlich besser. In der Endposition nach Stich 10 fehlen noch 6 Karten beim Gegner: 3 Figuren, um die es geht, und 3 kleine Karten. Je nachdem, wie die Figuren verteilt sind, müssen wir unterschiedlich spielen.

Von den 8 Kombinationen der 3 Figuren sitzt 4x ♠D im Schnitt und 4x nicht im Schnitt. Allerdings von den vier Situationen mit ♠D im Schnitt, nämlich solche wo Ost eine weitere Figur hat, muss Ost die Dame aufgrund des Squeezes blank stellen.

Sollte also Ost ein kleines Pik bedienen, so ist es besser, zu schlagen. Außerdem ist es viel cooler, zu sagen, man hat den Schlemm mit einem Squeeze erfüllt als mit einem schöden Impass!