Schneller als sein Schatten

Lucky Luke ist vor allem dadurch bekannt geworden, dass seine Hand schneller ist als sein Schatten. Im Wilden Westen oder im Kampf gegen die Daltons mag eine schnelle Hand  eine wichtige Eigenschaft gewesen sein. Bei Bridge ist es aber häufig hinderlich, wenn die Hand schneller ist als der Kopf. Schauen wir uns ein Beispiel aus dem Teamturnier vom 20. April. Die Reizung geht wie folgt:

Die folgende Hand wurde im Online Teamturnier am 29.01.2021 gespielt. Schauen Sie sich die Reizung an, indem Sie auf Next klicken. Wenn Sie auf die gelb hinterlegten Gebote klicken, bekommen Sie noch mehr Informationen über denen Bedeutung.

Da Sie herausbekommen haben, dass genau eine Keycard fehlt, ist der naheliegende Schluss, die Reizung jetzt mit 6 abzuschließen, was auch an fast allen Tischen passiert ist. Allerdings spielt man ja gerade Teamturnier und es geht um einen Schlemm. Deshalb sollte man jetzt unbedingt die Hand daran hindern, das 6 Gebot abzugeben und ein Konzept anzuwenden, das sich nennt „Nachdenken“. Ich hab gehört, dass sich dieses Konzept angeblich schon mal bewährt haben soll.

Lassen wir mal rekapitulieren, was wir von der Reizung wissen:

  • Da eine Keycard fehlt, hat der Gegner entweder ♠ Ass, Ass oder König. Dies wird meist einen Stich kosten. Auch einem Meister wird es schwerfallen, das Trumpfass herauszuschneiden.
  • Wir haben einen 8 Kartenfit in .
  • Partner hat 21-23 Punkte, wobei er sich für sein 5er einen Längenpunkt dazuzählen sollte.

Überlegen wir uns mal ein paar passende Partnerhände dazu:

Für diese Hände wurde bewusst jeweils ein Minimum ausgewählt. Trotzdem ist es in allen Fällen kein Problem, 12 Stiche zu erzielen. Man kann entweder Piks verschnappen oder auf die Karos oder Treffs weg werfen. Insofern spricht doch alles dafür, jetzt 6zu bieten, wenn sogar Minimumhände locker zum Erfüllen reichen.

Oder droht doch irgendein Risiko?

Neben dem kleinen Risiko, einen Schnapper zu kassieren, falls irgendwelche Nebenfarben schlecht stehen sollten, ist das Hauptrisiko, neben der fehlenden Keycard einen weiteren Stich in zu verlieren. Wenn man jetzt 6 bietet, setzt man alles darauf, dass die Coeurs schon laufen werden. Sobald der Partner nicht den Buben hat, ist der Kontrakt signifikant in Gefahr, wenn die Trümpfe 4-1 stehen. Ist die fehlende Keykarte in Coeur, droht ein Faller sogar bei einem normalen Trumpfstand. Dies wär z.B. der Fall, wenn Partner folgende Hand hat:

Dies sollte uns nicht davon abhalten, trotzdem den Schlemm zu reizen. Dafür sind die Chancen einfach zu gut. Es sollte uns aber abhalten, einfach so 6 zu bieten. Denn vielleicht gibt es eine Alternative, die nicht alles auf die Karte Coeur setzt.

Schauen wir uns nochmal an, was wir über die Hände  wissen:

  • Der Gegner hat maximal 6 oder 7 Punkte, wovon ein Großteil auf die fehlende Keycard entfällt. Damit haben wir für einen Kleinschlemm sogar Zusatzstärke.
  • Wir haben je eine Stichquelle in Coeur und in Karo. Sobald eine von beiden Farben läuft, wird man fast immer 12 Stiche zusammen haben.

Beide Eigenschaften sprechen dafür, 6 SA zu bieten. Denn wenn die Coeurs nicht durchziehen sollten, hat man immer noch genug Chancen, den Kontrakt über die Karos zu erfüllen.

Im aktuellen Fall wäre das erfolgreich gewesen:

Mit offenen Karten kann man sogar 6 Coeur erfüllen. Dazu muss man aber spätestens in der zweiten Coeurrunde schneiden, was die signifikant schlechtere Spielweise ist. So merkt man erst in der zweiten Trumpfrunde, dass die Trümpfe schlecht stehen und wird fallen. Eine Verbesserung ist es, wenn man von Süd in der zweiten Trumpfrunde die 10 vorlegt. Das mag einige Westspieler dazu provozieren, diese fatalerweise mit dem Buben zu decken, so dass man später die 9 rausschneiden kann. Noch besser wäre aber, wenn vor dem 6 Gebot die Hand nicht schneller als der Kopf gewesen wäre. Natürlich liegt es in der aktuellen Hand nahe, 6 zu bieten. Aber während man in 6 einmal fällt, gehen 6SA völlig problemlos.
Drohen Gefahren?
Eigentlich gibt es nur 2 potentielle Gefahren:

  1. Der Partner hat Minimum und seine Hand wegen eines tollen 5er Coeurs zu 21-23P aufgewertet. Dann ist  es rechnerisch möglich, dass ausgerechnet ♠ Ass und König fehlen. Dazu muss der Gegner aber auch erstmal Pikausspiel finden, was nicht so einfach ist, wenn der Ausspieler nicht selber beide Karten besitzen sollte.
  2. West hat den Karo König. Dies erfordert aber, dass Ost auch Karo angreift. Sobald Ost irgendeine andere Farbe angreift, wird man 12 Stiche zusammen haben, da der Gegner bis auf die Keycard und dem Karo König keine Punkte mehr haben kann. In Anbetracht der eigenen Karolänge ist ein Karoangriff nicht ausgeschlossen, aber nicht so wahrscheinlich.

Sprich: Beide Fälle sind schon nicht so wahrscheinlich. Und in beiden Fällen muss zusätzlich auch noch der richtige Angriff gefunden werden.

Insofern spricht alles für 6SA als Endkontrakt. Eine Entscheidung, die hier 14 IMPs (in Gefahr sogar 16 IMPs) ausgemacht hätte.

Wenn Ihre Hand schneller sein sollte als Ihr Schatten, dann muss Ihr Kopf sogar noch schneller sein. In Anbetracht der recht komplexen Entscheidungen nicht einfach. Besser ist es, die Hand beim Bridge zu bremsen, damit der Kopf eine Chance hat, schneller zu sein. Die Hand des Monats April ist ebenfalls ein Beispiel, wo es droht, dass die Hand schneller ist als der Kopf.