Geh aufs Ganze!

Das Fernsehen läuft gerade heiß mit Neuauflagen von alten Spielshows. Es gibt wieder Wetten Dass… mit obligatorischen Baggerwetten, der Preis ist wieder Heiß, aber für Bridge am relevantesten ist wohl… Geh aufs Ganze!

Die Spielidee dabei: Kandidaten können durch zocken und manchmal auch mit richtigen Entscheidungen Preise gewinnen. Dabei wird denen die Birne matschig geredet von einem Quizmaster, der die Kandidaten immer versucht zu überzeugen, mehr aufs Risiko, also „aufs Ganze“ zu gehen. Nicht selten bekommen die Kandidaten demnach nicht den Hauptgewinn, sondern eine Niete, den Zonk.

(c) SAT1

Eine Situation, die genau für diese Spielshow geschaffen scheint, ist das sogenannte Ziegenproblem, oder in dem Fall das Zonkproblem. Der Kandidat kann aus drei Türen wählen, und hinter eine Tür befindet sich den Hauptgewinn, eine neue Küche, hinter den zweiten einen kleinen Gewinn, einen Gläserset, und hinter dem dritten eben den Zonk. Der Quizmaster sagt, er wird nach der ersten Auswahl eine Tür öffnen, und danach gibt es nochmal die Möglichkeit, zu wechseln.

So gesagt so getan: Der Kandidat wählt eine Tür aus, und der Quizmaster öffnet eine andere Tür, dieser enthält entweder den Gläserset oder eben den Zonk, aber niemals den Hauptgewinn. Der ist schon mal weg. Und Sie werden gefragt, wollen Sie noch wechseln? Hinter einem der geschlossenen Türen wartet ihre neue Küche!

Und, was machen Sie, wechseln oder nicht?

Hört sich erstmal an, als wäre es egal. Aber tatsächlich sollten Sie wechseln. Bei der ersten Auswahl hatten Sie drei gleichwertige Türe. Die Chance, dass Sie da richtig lagen, war also 1/3. Wenn Sie vorher falsch lagen (2/3), ist also wechseln richtig.

Aber wie kann das sein?

Das ist das Prinzip der eingeschränkten Auswahl (englisch: Principle of Restricted Choice). Wenn Sie zunächst falsch lagen, so hat der Quizmaster keine Wahl, welche Tür er aufmacht, denn die Tür mit dem Hauptgewinn muss er ja zu lassen. Als Beispiel haben Sie Tür 1 gewählt:

Mit Wahrscheinlichkeit 1/3 ist Tür 1 richtig, mit Wahrscheinlichkeit 2/3 entweder Tür 2 oder 3. Mit einer offenen Tür verteilt sich die Wahrscheinlichkeit der Türen 2 und 3 also auf die eine geschlossene Tür:

(Bilder aus Spektrum der Wissenschaft)

Interessant! Und was hat das jetzt mit Bridge zu tun?

Naja, dazu schauen wir auf folgende Hand aus der Bundesliga 2022.

Die Reizung ist interessant: Nach 1♥ Eröffnung möchte Nord einladend mit 3er ♥ zeigen. Bei vielen erfolgt das so, dass er 1♠ reizt und auf 1SA oder 2♣/♦ des Partners in 3♥ springt. Ein direkter Sprung in 3♥ zeigt ein 4er ♥ (manche spielen das als sperrend mit 4er, oder auch als einladend mit 4er). Süd springt darauf PF in 3♣, worauf Nord dann in 4♥ springt. Weil Nord mit gleicher Verteilung und weniger Punkten einfach 2♥ gereizt hat, zeigt das die einladende Hand. Süd entscheidet sich etwas mutig zur Assfrage, würde doch ♠Axxx ♥Dxx ♦xxxx♣Kx schon reichen, damit die Hand von Oben ist. Nachdem Nord aber ein Keycard ohne ♥D hat, bleibt es bei 5♥.

Auch wenn Süd mit 2♣ Semiforcing anfängt, was sicherlich eine Option ist, ist die Reizung interessant. Etwa die Hälfte des Feldes konnte in 4♥ stoppen (besonders im Teamturnier aber auch in Paarturnier manchmal wichtig), manche waren in 5♥. Ein Paar war sogar in 6♥, das ist objektiv definitiv zu hoch.

Wie spielen Sie?

Das Ausspiel war leider schlecht für die Kommunikation. Neben dem ♠A drohen Verlierer in ♥ und ♣. Es ist verführerisch jetzt sofort auf ♣ zu schneiden, mit oder ohne Abwurf auf ♦K, aber die Chance läuft noch nicht weg. Besser ist es, auf ♦K ein ♣ abzuwerfen und zum ♥A zu spielen. Bei West fällt die Dame. Dann spielen wir ♠K, und falls geduckt nochmal ♠. Angenommen West nimmt und spielt ♦

Wie geht es jetzt weiter?

Wie es weiter geht, hängt davon ab, wie die Trümpfe stehen. Es fehlen ja nur noch der Bube und ein kleiner Trumpf. Angenommen der Treffschnitt sitzt nicht, müssen wir die Trumpffarbe ohne Verlierer lösen. Relevant sind also Single Dame bei West und DB Double bei West. Merke auf, dass die Situation die gleiche ist, wenn West in der ersten Runde den Buben gespielt hätte. West könnte, mit Sicht auf drei kleine Trümpfe in Dummy, auch die Dame von DBx gespielt haben, dann sind wir aber sowieso vom Treffschnitt abhängig.

Was ist denn wahrscheinlicher?

Und jetzt kommt der Zonk ins Spiel! Wenn West DB Double in Coeur hat, kann er Dame oder Bube legen, ist egal (vergleiche: Der Kandidat lag beim ersten Versuch richtig, der Quizmaster kann jede Tür aufmachen, es ist egal). Hat er aber die Dame Single, musste er den halt legen, er hat eine beschränkte Auswahl (vergleiche: Der Kandidat lag beim ersten Versuch falsch, der Quizmaster muss die Tür ohne Hauptgewinn öffnen).

Wie beim Zonk ist es wahrscheinlicher, dass der Westspieler eine beschränkte Auswahl hat, wir sollten also in Coeur schneiden!

Wobei, nicht immer: Spielen wir gegen Simon Sorglos, der immer brav von unten nach oben die Karten zugibt, so wissen wir bei der Dame, dass er den Buben nicht hat. Spielen wir dagegen gegen Susi Schlau, die immer versucht uns reinzulegen und deswegen aus Prinzip von Dame Bube Double immer die Dame legt, so wissen wir, wenn sie den Buben legt, dass sie nicht die Dame hat.

Gehen wir also davon aus, West weiß das und spielt mit DB Double mal so, mal so. Dann ist es richtig zu schneiden. Im Paarturnier würde man nach ♠ zur Dame und ♥8 gewinnt versuchen, auf ♠B einen Treff abzuwerfen und dann in ♣ zu schneiden für 12 Stiche, aber das könnte dazu führen, dass West ♣K gewinnt und seinen Partner einen Schapper in Treff gibt. Also lieber auf Sicher spielen. Die ganze Hand:

Jetzt hat West die erste Pikrunde genommen. Was passiert, wenn er duckt?

Zunächst sieht es danach aus, als würde West den vom Alleinspieler verfolgten Plan vereiteln können, in dem er ♠K duckt und erst die zweite ♠-Runde nimmt. Wenn er dann aber ♦ zurückspielt entsteht folgende Position:

Es sieht immer noch danach aus, als würde der Alleinspieler noch zwei Stiche abgeben müssen, ist er doch vom Tisch abgeschnitten. Allerdings hat West mit ♠A nur Luft gefangen, und am Tisch liegen zwei hohe ♠, auf die ♣DB verschwinden können.

Was kann der Alleinspieler jetzt machen?

Wenn der Alleinspieler den Trumpfstich opfert, bekommt er dafür zwei Pikstiche zurück. Er kann ♥10 rausducken zu Ost, das Treff-Nachspiel mit dem Ass nehmen (den Schnitt also verweigern), den letzten Trumpf mit ♥8 ziehen und auf ♠ zwei Treffs abwerfen!

Wir sehen: Egal ob West ♠A nimmt oder duckt, er ist verloren. Diese Spielweise heißt auch: Morton’s Gabel. Die ganze Variante zu Ende gespielt sieht so aus: