Die Strategie bei der Reizung von Teamturnieren

Die folgende Hand wurde in unserem Teamturnier am 21.September gespielt (um 90 Grad gedreht, damit Süd Alleinspieler:in wird. Klicken Sie bitte auf Next, bis Sie das Ausspiel sehen.

Das 2NT Gebot von Süd zeigt eine ungefähr ausgeglichene, einladende Hand. Diese Einladung hat Nord angenommen, obwohl Nord mit 12 Figurenpunkten eigentlich nur ein Minimum hat. War das übermütig oder war das sinnvoll?

Schauen wir uns einmal den Unterschied zwischen Paarturnier und Teamturnier an. Paarturniere werden genauso wie Individualturniere (fast) immer nach sogenannten Matchpunkten (MP) abgerechnet.  Bei dieser Abrechnungsform bekommt Sie in jedem Board

  • 2MP für jede Anschrift, die schlechter ist als die eigene,
  • 1MP für jede Anschrift, die genauso gut ist,
  • 0MP für jede bessere Anschrift

Spielen Sie z.B. an 6 Tischen, dann haben Sie einen Topp, wenn Sie besser sind als alle 5 anderen Anschriften. Dementsprechend würden Sie für einen Topp 10MP bekommen. Spielen Sie dagegen an 11 Tischen, dann wäre ein Topp 20 MP wert, wenn Sie erfolgreicher als 10 andere Tische gespielt haben. Da die Anzahl an Tischen einen wesentlichen Einfluss auf die Anzahl an MP hat, sind MP für ein Turnierergebnis etwas unhandlich. Deshalb werden MP i.d.R. in Prozente umgerechnet. In einem Turnier mit 6 Tischen würden die 10MP dementsprechend 100% entsprechen. Bei einem Turnier mit 11 Tischen wären 10MP dagegen nur 50% wert, da für einen Topp 20MP vergeben werden.

Bei einer Abrechnung nach MP kommt es nur darauf an, besser als die anderen Tische zu agieren. Es hat keinen Einfluss, wie viel besser jemand agiert hat. Wenn Sie einen Überstich mehr erzielt haben als anderen, bekommen Sie genauso 100%, als wenn Sie als einziger einen Schlemm erfüllt haben. Das bedeutet, dass Sie Vollspiele dann reizen sollten, wenn die Chance zum Erfüllen besser als 50% sind.

In Teamturnieren wird dagegen (fast) immer nach sogenannten internationalen Matchpunkten (IMP) abgerechnet. Hier wird der Unterschied zwischen dem eigenen Resultat und dem Resultat am sogenannten Komplementärtisch abgerechnet. Nehmen wir an, dass wir in diesem Board 4♠ reizen und am Komplementärtisch nur 3♠:

  • Wenn beide Tische 10 Stiche machen, dann bekommen wir in Nichtgefahr 420 Punkte und der andere Tisch 170 Punkte. Es gibt also eine Diskrepanz von 250 Punkte, was einen Gewinn von 6 IMPs bedeutet.
  • Sollten nur 9 Stiche möglich sein, würden wir -50 Punkte bekommen und der andere Tisch 140 Punkte. Die Diskrepanz beträgt also 190 Punkte, was zu einem Verlust von 5 IMPs führt.

Das bedeutet, wenn mein Kontrakt mehr als 45,5% Chancen hat, dann ist das Reizen eines Vollspiels in Nichtgefahr sinnvoll. 

In Gefahr ist das noch extremer:

  • Wenn beide Tische 10 Stiche machen, dann bekommen wir in Gefahr 620 Punkte und der andere Tisch weiterhin 170 Punkte. Es gibt also eine Diskrepanz von 450 Punkte, was einen Gewinn von 10 IMPs bedeutet.
  • Wenn beide Tische 9 Stiche machen, dann bekommen wir in Gefahr -100 Punkte und der andere Tisch 140 Punkte. Es gibt also eine Diskrepanz von 240 Punkte, was einen Verlust von 6 IMPs bedeutet.

Das bedeutet, wenn mein Kontrakt mehr als 37,5% Chancen hat, dann ist das Reizen eines Vollspiels in Gefahr sinnvoll. 

In der Regel weiß man die Chancen eines Kontrakts allerdings erst, wenn man den Dummy sieht und auch dann nur, wenn man Mathematiker ist und  das merkwürdige Bedürfnis hat, sehr viele langweilige und nutzlose Berechnungen zu machen. Wichtiger ist, dass Sie in einem Teamturnier im Zweifel lieber Vollspiele ausreizen sollte, insbesondere wenn Sie in Gefahr sind. Insofern haben in obigem Board 4 von 6 Tischen Vollspiel gereizt trotz gerade einmal 22 gemeinsamen Figurenpunkten. Wären Nord-Süd in Gefahr, wäre die Vollspiel Quote evtl. sogar noch höher. Es mag sogar sein, dass an einigen Tischen sogar Süd direkt das Vollspiel gereizt hat. Aber auch auf eine Einladung hin, sollte Nord diese annehmen, weil:

  • Nord unausgeglichen ist. Sowohl die Kürze in Treff als auch die Länge in Coeur bieten Potential für zusätzliche Stiche.
  • Asse sind eigentlich mehr wert als die 4 Figurenpunkte nach der herkömmlichen Punktrechnung

Insofern sollten 22 gemeinsame Punkte bei einem Oberfarbfit und unausgeglichenen Händen gerade in einem Teamturnier für das Ausreizen eines Vollspiels reichen. Ob Sie dann auch erfüllen, ist natürlich eine andere Sache

Nachdem Sie das knappe Vollspiel gereizt haben, sollte Sie natürlich auch versuchen, den Kontrakt zu erfüllen. Klicken Sie wieder auf Next, bis Sie das Ausspiel sehen

Grundsätzlich ist es eine gute Idee, sich einen Spielplan zu machen. Dazu zählen wir in einem Trumpfkontrakt die Verlierer. Da es einfacher ist, die Coeurfarbe zu entwickeln als die Trefffarbe, zählen wir die Verlierer von Nord

  • Sollten die Trümpfe 3-2 stehen, haben wir einen Pikverlierer. Sollten die Piks 4-1 stehen, haben wir meist zwei Verlierer.
  • Sollte die Coeur 4-2 stehen, haben wir  im Worst Case 4 Verlierer. Hilfreich wäre es, wenn das Coeur Ass bei Ost sitzen sollte. Hilfreich wäre es auch, wenn wir ein paar Coeurs mit der Südhand schnappen könnten.
  • In Karo haben wir auch noch einen Verlierer. Den können wir auf Süd stechen. Allerdings brauchen wir Süds Trümpfe auch schon, um Coeurs zu stechen.

So oder so: Es sieht so aus, als wenn wir mit der Südhand sehr viel Stechen sollten. Insofern sollten wir auf keinen Fall eine zweite Runde Trumpf spielen, sondern uns gleich den Coeurs zu wenden. Ansonsten droht ja sogar eine dritte Trumpfrunde, wenn der Gegner mit dem Coeur Ass an den Stich kommt.

Nachdem im zweiten Stich der Coeur König den Stich macht, sollte  Sie nochmals Coeur spielen. Sollte der Gegner jetzt eine dritte Runde Coeur spielen, dann droht zwar, dass wir überschnappt werden. Solange das aber von der Person passiert, die ein 3er Trumpf hat, kostet das noch nicht mal einen Stich. Sollte der Gegner Pik statt Coeur spielen, dann war es gut, dass wir selber keine zweite Pikrunde gespielt haben. Schauen Sie sich das Abspiel an, indem Sie unten auf Next klicken.

Da die gegnerischen Karten sehr freundlich verteilt sind, können Sie sogar 11 Stiche machen. Insgesamt ist es aber ein sehr knapper Kontrakt. Sollte das Coeur Ass z.B. bei West sein, gibt man nicht nur einen weiteren Coeurstich ab. Es droht auch, dass der Gegner eine dritte Pikrunde zieht. Das erfordert aber schon ein sehr gutes Gegenspiel.